oder so ähnlich ,-)
Das Münchner Sozialforum macht Wind zur sog. "Millionärsmesse". Eine informative Pressemeldung ging dazu rum, gute Gelegenheit die hier zu dokumentieren (wer weiß wer das noch tut ...):
* wer dies rechtzeitig liest kann auch noch mitmachen!! *
(die Presseerklärung war erfolgreich - siehe Links beim Sozialforum)
Sozialforum protestiert gegen "Millionärsmesse" und Finanzmarktkrise
FÜR BILDBERICHTERSTATTER GEEIGNET!
T: Donnerstag 16.10., 17.30 - ca. 20 h, Willy-Brandt-Platz und Messeeingang West
PRESSEMITTEILUNG des Sozialforum München:
Sozialforum-Gruppen protestieren mit "Sklavenmarkt" und Ganovenstück gegen Millionärsmesse und Finanzmarktkrise
Sehr geehrte Damen und Herren,
auf die regelmäßige Frage Ihrer Kolleginnen und Kollegen: "Selbstverständlich protestieren wir auch gegen die Finanzmarktkrise. Wäre das Kapital in der Realwirtschaft investiert, würde es keine Blasen werfen auf den Finanzmärkten. Und es gäbe keinen absonderlichen "Bedarf" nach goldenen Badewannen und dergleichen. Der Protest geht gegen die Verhältnisse, nicht gegen Personen.", so Walter Listl für die beteiligten Gruppen.
Vom 16. bis zum 19. Oktober wird in der neuen Messe München-Riem eine sogenannte "Millionärsmesse" stattfinden.
Das Sozialforum München ruft zu Protesten gegen diese Millionärsmesse auf. Unter dem Motto "Euer Reich-Tun kotzt uns an" werden verschiedene im Sozialforum mitarbeitende Gruppen vor Beginn der Millionärsmesse am Donnerstag (16.10.08) gegen die Zurschaustellung obszönen Reichtums protestieren.
Den Münchnerinnen und Münchnern wird dabei auf dem Willy-Brandt-Platz am Donnerstag, 16.10. ab 17.30 h ein reiches Bühnenprogramm geboten, u.a.:
- ein "Sklavenmarkt" (Linksjugend "solid")
- ein Ganovenstück: das "Räuberpärchen Peer und Angela" wird PassantInnen ausrauben, um die Party der Reichen weiterzufinanzieren (neue attac-Aktionsgruppe)
- das Lied von der Rationalisierungswelle (attac-Chor)
- Sozialreferent Graffe, der erst kürzlich im Sozialforum vorgetragen hatte, ist für einen Redebeitrag angefragt.
Ergänzend gibt es Infostände von attac und des Sozialforum mit u.a. der aktuellen Publikation des Instituts für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung isw e.v. zur Krise auf den Finanzmärkten, eine Ausstellung mit großen Schautafeln zum Zusammenhang zwischen wachsender Armut der Allgemeinheit und dem zunehmendem Reichtum Weniger, und eine mehr als plakative Werbung mit übermannshohen lebenden Figuren für den Dokumentarfilm "Lets make money" (www.Lets-make-money.info), der am kommenden Sonntag als Preview mit anschließender Diskussion im "Atelier" zu sehen sein wird.
Der Clowns Army ("Clandestine Insurgent Rebell Clowns Army" Circa, bekannt u.a. von den Protesten gegen die "Münchner Sicherheitskonferenz" und gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm 2007) "ist es ein wichtiges Anliegen, den Millionären in den schweren Stunden dieser Proteste zur Seite zu stehen", so eine Sprecherin.
An der Einfahrt zur Millionärsmesse wird eine Mahnwache stehen.
Wie die Millionärsmesse wirbt, wirkt auf die AktivistInnen im Sozialforum nicht attraktiv, sondern obszön: für 39 Euro Eintritt, heißt es im internet, "darf auch der Durchschnittsbürger durch die Ausstellung schlendern und für ein paar Stunden den Duft von Luxus und Glamour schnuppern". Dass die Millionärsmesse seltsamerweise in der Tat den "Durchschnittsbürger" im Blick hat, zeigt sich in ihren aufwendigen Anzeigen auch in der Boulevard-Presse und in ihrer Begleitung des München-Marathons: eine perlenbehangene Dame in Rokoko-Perücke, die an Marie-Antoinette und ihre Standesgenossinnen erinnert, soll Appetit machen auf die Messe. Es war Marie-Antoinette, die gesagt haben soll: "Wenn das Volk kein Brot hat, soll es doch Kuchen essen!" Passend beginnt die Millionärsmesse am Welternährungstag, an dem Jahr um Jahr erinnert wird, daß alle 5 Sekunden ein Kind verhungert. Ein Bruchteil der Milliarden, die nun das Finanzsystem retten sollen, würde genügen, Millionen Menschen zu retten. Die Aktionsgemeinschaft ATD 4. Welt (http://www.atd-viertewelt.de) hat einen Offenen Brief an Veranstalter, Aussteller und Medien gerichtet, um an den Armutswelttag am 17.10. zu erinnern: "In einer von Bankenkrach und Hungersnotaufständen erschütterten Welt läuft es uns kalt über den Rücken bei der Frage: "Was verbindet die Menschen, die auf der Millionärsmesse zusammenkommen, und jene, die dieser Welttag zusammenführt...?""
Das Siemens-Mitarbeiternetzwerk NCI stellt in einem internet-Beitrag zur Millionärsmesse fest: "Selten wurde uns in diesen Tagen so deutlich vor Augen geführt, dass Gewinne Privatsache sind, Verluste aber von der Gemeinschaft getragen werden müssen, wenn sie nur groß genug sind." (http://www.nci-br.de/)
Seine Aktionen gegen die Millionärsmesse versteht das Sozialforum auch als einen Protest dagegen, dass in der gegenwärtigen Krise der kapitalistischen Finanzmärkte die Börsen- und Bankenverluste in gigantischem Ausmaß sozialisiert werden, während Spekulationsgewinne nach wie vor privat angeeignet werden. Ein nur kleiner Teil dieser Aneignung ist dann auf der Millionärsmesse zu besichtigen.
Das Spielkasino "Internationale Finanzspekulation" muß geschlossen werden. Wo kurzfristig staatliche Milliardensummen locker gemacht werden können für die Schäden geplatzter Spekulationsblasen, soll kein Geld da sein für armutsfeste Renten, ein humanes Gesundheitswesen, für kostenlose und bessere Bildung, höhere Löhne oder kommunale Daseinsvorsorge?
Wir sagen: niemand sollte sich den Besuch dieser perversen "Messe" antun.
Wer dann ratlos vor der Frage steht: wohin mit meinem vielen Geld?, für den oder die gibt es bei der Protestaktion des Sozialforums eine fachkundige Beratung.
Wir würden uns freuen, wenn Sie auf unsere Veranstaltung aufmerksam machen und zu ihr einladen könnten!
Mit freundlichen Grüßen,
Sozialforum München
www.m-sf.de, info@m-sf.de
Für Rückfragen:
Paul Kleiser/Walter Listl
Hintergrundtext:
(s.a. das Protest-Flugblatt, www.m-sf.de/dokumente/2008-10-16--Flyer-Millionaersmesse.pdf)
Luxus pervers
Kennen Sie die Millionaire Fair?
Vom 16.-19. Oktober findet in München die Millionaire Fair statt, auf der sich nach Angaben der Organisatoren "die Spitzen der Luxusgüter-Industrie präsentieren".
Diese Veranstaltung wurde vom holländischen Verleger von Luxuszeitschriften wie Miljonair Guide, JFK oder Jackie, Yves Gijrath im Jahr 2002 ins Leben gerufen. Sie ist angeblich ein Ereignis, "bei dem die Crème de la Crème der internationalen Luxusgüterindustrie zusammentrifft, um den anspruchsvollen Besuchern ihre schönsten Unikate, die exklusivsten Produkte sowie ausgefallene Dienstleistungen zu präsentieren". Die Millionaire Fair "steht für Spannung, Faszination, Kreativität, beispiellosen Glamour und ist Lifestyle pur". (alle Angaben nach der Homepage der MF!) Die neuesten Modekreationen werden vorgeführt, sündteurer Schmuck und Uhren herumgetragen, kulinarische Köstlichkeiten werden gereicht und die Spitzendamen des horizontalen Gewerbes preisen (mehr oder weniger diskret, versteht sich) ihre Dienste an.
Warum halten wir diese Veranstaltung für einen Gipfel an Obszönität?
Die im Münchner Sozialforum zusammengeschlossenen Gruppen und Organisationen protestieren gegen die Millionaire Fair, nicht weil sie von "Sozialneid" geplagt werden, sondern mit Blick auf die immer perverseren Formen, die die Polarisierung von Armut und Reichtum in Deutschland, in der EU und weltweit annimmt.
Gerade erleben wir die Folgen der internationalen Finanzkrise, die dafür sorgt, dass einige Reiche rasch noch reicher und viele Arme noch ärmer werden. Denn die Krise ist eine gigantische Umverteilungsmaschine - das Geld ist nicht einfach weg, sondern findet sich bei anderen Leuten. In den USA wurden bereits 2,5 Millionen Häuser und Wohnungen zwangsgeräumt, und in diesem Jahr werden es wohl über drei Millionen sein. (Allein diesen August 300 000!) Eine Reihe von Großzockern hat zahlreiche Banken (Bear Sterns oder Lehman Brothers) und Versicherungen (AIG) durch "Verbriefungen" (also die undurchsichtige Vermanschung von Anlageprodukten und Ramschkrediten) in den Abgrund gerissen. Nach der Privatisierung der Riesenprofite aus der Spekulation rufen nun alle, sogar der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, nach dem Staat. Die Verluste werden nun zu Lasten der Arbeitenden und des Mittelstandes sozialisiert. Allein der Steuerzahler in den USA muss insgesamt mit über einer Billion Dollar bürgen; ein Gutteil davon dürfte verloren sein. In Deutschland werden sich die addierten Schäden (IKB, kfw, Landesbanken usw.) voraussichtlich auf über 100 Mrd. Euro belaufen. Dabei weiß niemand, ob sich die Krisenlasten in den kommenden Moanten nicht noch weiter aufschaukeln.
Mit nur einem Bruchteil dieses Geldes hätten die Millenniumsziele der UNO, also die Beseitigung von Hunger und Infektionskrankheiten sowie Gesundheitsvorsorge und Bildung für alle Menschen dieser Erde (www.un-kampagne.de) (Link ?), problemlos verwirklicht werden können.
Arm und reich
Die neoliberale Politik (Verramschen von Staatsbesitz, Deregulierung, Abbau des Sozialstaats) der vergangenen 25 Jahre hat die Polarisierung von Arm und Reich massiv vorangetrieben. Auf der Erde gibt es etwa 10 Millionen Geldmillionäre, die allein über gut 40 Prozent des weltweiten Geldvermögens verfügen. Der Wert ihres Sachvermögens dürfte noch weit höher liegen. Auf der anderen Seite leben laut UNO etwa 2,6 Mrd. Menschen an oder unter der absoluten Armutsgrenze; sie müssen mit weniger als zwei Dollar am Tag auskommen. Indien hatte in den beiden letzten Jahrzehnten massive Wachstumsraten von jährlich 7% zu verzeichnen; trotzdem nahm die Zahl der bitter Armen nicht ab sondern zu.
In Deutschland verfügen die reichsten 10 Prozent der Bevölkerung über fast zwei Drittel des gesamten "Volks"-vermögens (SZ, 7.11.2007), während die untersten 10 Prozent massiv verschuldet sind. Ende 2006 gab es in EU-Europa 156 Milliardäre, darunter fanden sich genau 50 Deutsche. Die Liste wird angeführt von den beiden Aldi-Brüdern mit einem geschätzten Vermögen von jeweils 16 Mrd. Euro, gefolgt von Dieter Schwarz (Tengelmann, 10 Mrd.) oder Susanne Klatten (ca. 8 Mrd.).
Während die große Mehrheit der Bevölkerung seit Jahren mit realen Einkommensverlusten zurechtkommen muss, gab es eine Explosion bei den Managergehältern. Vor 10 Jahren bekam ein Manager eines DAX-Unternehmens im Schnitt das 19-fache Gehalt eines Facharbeiters. Inzwischen beansprucht er das 44-fache Gehalt und behauptet bisweilen, er (Frauen kommen kaum vor!) sei unterbezahlt. Solche Gehälter und "Aktienoptionen" haben mit der Leistung dieser Leute rein gar nichts zu tun. Diese leistungslosen Einkünfte müssen zur Bezahlung der Schäden der Finanzkrise herangezogen werden.
Können wir uns die Reichen noch leisten?
Die Polarisierung von Reichtum und Armut führt dazu, dass in Deutschland mittlerweile fast acht Millionen Menschen von Hartz IV (aktuell 351 ? plus Miete, Kinder 211 ?) leben müssen. Mit den 10 Mrd., die die Sanierung der IKB kostet, hätte man Hartz IV um fast 100 ? aufstocken können. Unter den Bedürftigen finden sich auch 1,33 Mio. im "Niedriglohnsektor" Beschäftigte (70% Frauen), die so wenig Lohn erhalten, dass sie zusätzlich Hartz IV bekommen. Häufig wird behauptet, sie seien eben unqualifiziert; Untersuchungen zeigen aber, dass gut 2/3 von ihnen über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen. Etwa 2,5 Mio. Kinder leben in Armut und kommen häufig ohne Frühstück zur Schule. Das gegenwärtige System gleicht somit einem Vogel, der seine eigenen Eier frisst.
Daher ist es überlebensnotwendig, über Formen der Umverteilung des Reichtums nach unten und über seine Vergesellschaftung nachzudenken. Die gesellschaftlichen Bedürfnisse, besonders Bildung, Erziehung und Pflege müssen absoluten Vorrang bekommen! Statt Sozialisierung der Verluste - Sozialisierung des Reichtums!